IMG_2036Heute mal wieder in Funk und Presse: kritische Stellungnahmen zum Thema Mammascreening. Es wird auch Zeit. Und es freut mich sehr, dass sich diese Veröffentlichungen in der letzten Zeit häufen.
Ein Beitrag von Gerd Gigerenzer, der schon vor Jahren auf die Zahlendreherei bei der Vermarktung der Brustkrebsfrüherkennung aufmerksam machte. Hier nochmals ein Zitat im Klartext, entnommen einem Interview im Deutschland Radio Kultur (von Ulrike Köppchen):
„Die wissenschaftlichen Studien zeigen, dass von je 1000 Frauen, Alter 50 und mehr, die zum Screening gehen, etwa 4 nach 10 Jahren an Brustkrebs sterben und bei denen, die nicht gehen, sind es fünf. Also der Effekt ist eines in 1000. 999 haben nichts davon. Das wird aber der Öffentlichkeit kaum gesagt, sondern man hat bis vor wenigen Jahren fast immer von einer zwanzigprozentigen Risikoreduktion gesprochen, oft aufgerundet auf 30 Prozent.“
Das Risiko, an Brustkrebs zu sterben um 20 Prozent zu senken, dürfte weitaus mehr Frauen zu einer Mammografie motivieren als die Information, dass dadurch die Sterblichkeit statistisch von 5 auf 4 aus 1000 Personen gesenkt wird. Doch dass man den Frauen diese Zahlen vorenthält, sei paternalistisch.“

Dies ist das Eine. Wie Zahlenspiele eingesetzt werden zum Zwecke…
Das Andere: Grundlegend formuliert: Nützt oder schadet das Mammographie-Screening? Hier sind die Stichworte: Übertherapie von Tumoren, die nie einen Schaden angerichtet hätten versus Nicht-erkennen von bösartigen Tumoren, die sehr großen Schaden anrichten.

Auch hier ein Zitat, diesmal aus einem Beitrag in der Tagesschau von gestern (Ursula Sieber):

„Hinzu kommt: Bei der Mammografie werden offenbar zu viele kleine, harmlose Tumore entdeckt, die die Frauen nie beeinträchtigt hätten und an denen sie nicht gestorben wären. Das Mammografie-Screening führt also zu sogenannten „Übertherapien“, wie das im Fachjargon heißt: Um einen einzigen Brustkrebstodesfall zu verhindern, erhalten drei bis zehn Frauen eine unnötige Brustkrebsdiagnose, werden operiert, müssen zur Strahlentherapie, und dann fünf Jahre lang Anti-Hormonpräparate einnehmen.
Auch diese Überbehandlungen haben Spätschäden, können zum Beispiel zu mehr Lungenkrebs oder zu mehr Herzerkrankungen führen und das ist möglicherweise der Grund, warum in der Gruppe der gescreenten Frauen zwar eine Frau weniger an Brustkrebs stirbt, aber dafür eine andere Frau an einer anderen Todesursache, warum es also keinen Effekt auf die „Gesamtsterblichkeit“ gibt, …“

und weiter:

„Das „Swiss Medical Board“, ein Expertenrat der Konferenz der Gesundheitsminister empfiehlt, das Mammografie-Screening zu stoppen.
Dazu zählt Professor Peter Jüni, weltweit anerkannter Epidemiologe und Direktor des Instituts für Sozialmedizin der Universität Bern. Zusammen mit seinen Kollegen kommt er zu einem vernichtenden Ergebnis: „Wir wissen nicht, ob wir mit dem Mammografie-Screening je ein Leben gerettet haben, aber wir wissen sicher, dass wir schaden.“ Seine tiefste Überzeugung formuliert Peter Jüni so: „Der Schaden überwiegt den Nutzen – leider!“.“

Tja. Aber irgendjemand muss doch einen Nutzen haben, oder? Ich überlasse die Beantwortung der Frage Ihrer Phantasie. Die Krankenkassen jedenfalls halten (noch) fest am Screening. Wie wäre es denn mit einer vergleichsweisen kostengünstigen Variante: Frauen in Kurse einzuladen, in denen die Selbstuntersuchung gelernt werden kann? Sie aufzuklären darüber, was sie selbst im Sinne der Vorsorge tun können? Umfassend? Welche Risiken es eigentlich gibt? Hier sind wir wieder bei der Eigenkompetenz. Aber die nützt ja nur den Betroffenen selbst. Geld verdienen kann man damit nicht.
In jedem Fall aber ist es unabdingbar, dass wirkliche Information zur Verfügung gestellt wird. Die deutschen Frauen sind – im Vergleich zu anderen Ländern – schlecht informiert was die Früherkennung bei Krebs angeht. Das heisst auch, sie haben keine echte Entscheidungsgrundlage. Es ist an der Zeit, dass sich hier etwas bewegt.